Von der Kriegsproduktion zur Museumslandschaft
150 Jahre H. A. U. / Führung am Tag des offenen Denkmals Teil 2

Zur Führung am Tag des offenen Denkmals hat David Kuhner in einem ersten Teil über die Gründerzeit bis zur Übernahme durch Junghans berichtet. Nun geht es um die weitere Entwicklung des großen Industrieareals bis heute, über die der Historiker und Kulturwissenschaftler Carsten Kohlmann berichtete.
Schramberg. Mit der Übernahme der Uhrenfabrik im Göttelbachtal durch die Firma Junghans entstanden die Werke H. A. U. und Geißhalde. Im Werk H. A. U. waren hauptsächlich Schreiner angestellt, da sie dort mit der firmeneigenen Säge und den gebotenen Räumlichkeiten weiterhin Qualitätsuhren hergestellten. Solange der Firmengründer Paul Landenberger, nämlich bis 1939, lebte, stellte Junghans noch Uhren mit dem Pfeilkreuz her, danach nur noch in Ausnahmefällen.

Rüstungsproduktion und Kriegsfurcht
Der Beginn der NS-Zeit und die Wiedereinführung der Wehrpflicht im Jahr 1935 stellt einen Wendepunkt in der Firmengeschichte dar. Statt der massenhaften Produktion von Uhren und Weckern stellte Junghans einen Großteil seiner Industrie auf Rüstung um. Gerade das Werk H. A. U. diente der Zünderproduktion.
In diesem Zusammenhang erzählte Carsten Kohlmann eine weitgehend unbekannte, tragische Geschichte:. Der Fabrikarbeiter Ernst Weißer aus St. Georgen war in großer Sorge wegen eines möglichen weiteren Krieg. Deshalb sandte er 1938 Zünderteile an das britische Konsulat nach Stuttgart, um die britischen Diplomaten über die deutsche Rüstungsindustrie und deren Werke zu unterrichten. Als die Sache aufflog, verurteilte ihn der Volksgerichtshof in Berlin am 16. Juni 1938 zum Tode.
Luftschutzbunker wird Champignonzuchtanlage
Ebenso unbekannt ist der 700 Quadratmeter große Bunker, der in südöstliche Richtung in den Berg führt und für mehrere hundert Personen Zuflucht bot. Bei jedem Luftalarmen hatte die Schramberger Bevölkerung alles stehen und liegen zu lassen, um in den Bunkern Zuflucht zu suchen.

Ein Gang durch die leeren Bunkergänge ermöglicht die Vorstellung, wie am 20. April 1945, dem Tag des Einmarsches durch die Franzosen, zahlreiche Menschen hier eng an eng ausharrten und das Schicksal ihrer Heimatstadt abwarten mussten. Bis 1991 lagerten tief im Berg noch Zünder von Junghans Feinwerktechnik. Danach bot sich der feuchte und kühle Bunker zur Champignonzucht an.
Kriegsende und französische Besatzung
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die französische Militärregierung das gesamte Firmenareal. Bis 1951 waren hier etwa 700 Soldaten stationiert, die als Mechaniker arbeiteten. Sie besaßen sogar ein eigenes Logo, dass sich aus dem Schramberger Stadtwappen auf grün-weißem Grund zusammensetzte, wie Carsten Kohlmann berichtete.
Die Stadtverwaltung bemühte sich hingegen, die Gebäude auszulösen und selbst nutzen zu dürfen. Da die Zukunft der Uhrenindustrie ungewiss war, wollte Schramberg jedoch schon in der Nachkriegszeit einen Gewerbepark etablieren, um industriell breiter aufgestellt zu sein. Junghans wehrte sich gegen das Vorhaben und setzte seine Ansprüche nochmals durch.

Diehl-Konzern übernimmt
Mit dem Übergang der Firma Junghans an den Diehl-Konzern in Nürnberg gingen auch die Gebäude der H. A. U. in dessen Besitz über. Damit mussten künftig schicksalhafte Entscheidungen nicht mehr vor Ort, sondern dort getroffen werden. Die Gebäude befanden sich in einem desolaten Zustand und sollten ab 1969 schrittweise saniert werden. Die Pläne konnten bis 1979 jedoch nur teilweise umgesetzt werden. Lediglich in der Lehrlingswerkstatt herrschte noch Betrieb.
Die 1980er Jahre brachten den Kipppunkt, als auch die Stadt sich dezidiert mit der Nachnutzung des Firmengeländes befasste. Daher schloss sie im Sommer 1988 einen Nutzungsvertrag auf 15 Jahre mit der Uhrenfabrik Junghans. Zeitgleich begann sich das Landesdenkmalamt für die Fabrikgebäude zu interessieren. Allerdings fiel ein Großteil der Gebäude der Abrissbirne zum Opfer, um Platz für Durchgangsstraßen und das „H. A. U. Center“ einer Frankfurter Investorengruppe zu schaffen.

Industrie- und Gewerbepark entsteht
Auf diese Weise konnten sich neue Firmen ansiedeln, und mit dem Vereinshaus entstand auch Raum für Vereine wie die Stadtmusik und die Musikerinitiative, die sich bereits seit 1986 eingemietet hatten. So gelang es in sieben bis acht Jahren den „städtebaulichen Schandfleck“ in die Zukunft zu führen. Von den ursprünglichen 21 Gebäuden stehen heute noch sieben, die jedoch als „unübersehbarer Teil der Kernstadt“ den Osten flankieren.
Als stolzes „Aushängeschild“ für eine Schramberger Uhreninnovation grüßt die Junghans MEGA in einer Wandmalerei der Firma Albrecht Werbetechnik aus dem Jahr 1991 den Autoverkehr auf der B 462. Die veraltete Gebäudetechnik verhinderte allerdings den erhofften Erfolg, den der damalige Oberbürgermeister Dr. Bernd Reichert angekündigt hatte. Statt 500 Arbeitsplätzen entstanden lediglich etwa 200. Dies lag unter anderem an der räumlichen Entwicklung der Großbetriebe, die es aus dem Talkessel auf die Höhe zog. Dennoch liegt die Gebäudebelegung heute mit 70 bis 90 Prozent erfreulich hoch.

Museumsträume werden Wirklichkeit
Was die industriegeschichtliche Aufarbeitung angeht, träumte die damalige Museumsleiterin Gisela Lixfeld bereits 1989 – angeregt von einer Ausstellung zur H. A. U. – von einem Industriemuseum in den ehemaligen Gebäuden der Firma. Dies ist damals gescheitert. Etwa zeitgleich versuchte die Stadt eine Außenstelle des 1990 in Mannheim eröffneten „Technoseums“ nach Schramberg zu holen. Der damalige baden-württembergische Wissenschaftsminister Norbert Schneider (CDU) lehnte das aber ab, weil das „Technoseum“ sich noch im Aufbau befände.
Ein weiterer Versuch, einen Teil des Geländes durch ein Museum zu gestalten, wagte der Förderverein Dieselmuseum Ende der 1990er Jahre. Zwar entstand erneut kein Industriemuseum, aber das Ergebnis war immerhin das „Dieselmuseum“. Es ist heute Bestandteil des 2010 gegründeten Museums „Erfinderzeiten Auto- und Uhrenwelt Schramberg“ und zeigt den womöglich letzten Dieselmotor dieser Größenordnung, der sich noch heute an Ort und Stelle befindet.

Weitere Veranstaltungen zu 150 Jahre H.A.U.
Die Geschichte der H. A. U. war demnach geprägt von Höhen und Tiefen. Die H.A.U. entwickelte sich von einem Hort der Industrie zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum als heutiger Gewerbepark auf mehr als vier Hektar Fläche.
Das Thema 150 Jahre H. A. U. wird daher in weiteren Veranstaltungen thematisiert. Bereits am kommenden Freitag wird Yasmin Hettich ihr Romanprojekt „Frida Landenberger“ im Landenbergerzimmer im Stadtmuseum um 19 Uhr der Öffentlichkeit vorstellen. Am 27. September besteht beim Tag der offenen Tür die Möglichkeit, sich die heute dort ansässigen Betriebe und das Vereinshaus anzusehen.